„When we are all the same, [when] we are only one colour, I think it’s not nice. But we have the opportunity to be different colours and that’s why the mosaic is nice, because everyone has one [own] colour, but together they make a very nice picture.“
Mohammad
Der Wunsch nach einem Mosaik
Unser Interviewpartner ist Mohammad. Er ist 35 Jahre alt und stammt ursprünglich aus Syrien. Dort studierte er Englische Literatur und arbeitete in verschiedenen Berufen. Heute lebt er mit seiner Frau und den gemeinsamen Kindern in Deutschland, in der Nähe von Berlin. Er hat eine Arbeit in einer Batteriefirma gefunden, auch wenn er lieber als Lehrer arbeiten würde. Wie viele andere flüchtete er 2015 aus Syrien nach Deutschland.
Wir stellten uns die Frage, wie es ist, in Deutschland anzukommen und ob es einen Unterschied zu der heutigen Situation der Geflüchteten aus der Ukraine und der im Jahr 2015 gibt. Mohammad eignete sich als Gesprächspartner, weil er aus eigener Erfahrung weiß, wie es sich anfühlt, als geflüchtete Person nach Deutschland zu kommen. So konnte er uns eine weitere Perspektive geben, um unsere Fragen zu beantworten.
Die Chance, ein Interview mit Mohammad zu führen, haben wir durch Inkens Mutter bekommen, die früher mit Mohammads Kind gearbeitet hat. Wir standen im schriftlichen Austausch, bis wir uns persönlich begegnet sind. Getroffen haben wir uns dann bei Mohammad zuhause, so konnte eine angenehme Atmosphäre entstehen, in welcher es sich zwanglos reden ließ. Er schlug diesen Ort selbst vor und hat uns damit einen großen Vertrauensvorschuss gegeben. Für Mohammad und seine Familie in Deutschland sowie auch in Syrien besteht immer noch eine große Gefahr. Deshalb haben wir einige Teile aus unserem Gespräch herausgelassen, um seine Anonymität zu gewährleisten. Außerdem wurde das Interview auf Englisch geführt.
Das Kernthema unseres Interviews war „Ankommen in Deutschland“. Dementsprechend stellten wir Fragen über seine Aufnahme in Deutschland, seinen Alltag und den seiner Familie. Zuerst haben wir mit einigen Fragen begonnen, die uns über das Leben und die Person Mohammad aufklärten.
Da wir Mohammad die Fragen vorab geschickt hatten, um Unannehmlichkeiten zu vermeiden, fing er sofort an, seine Geschichte zu erzählen. Er begann, uns über seine Flucht nach Deutschland zu erzählen. Wir hatten vorher beschlossen, Fragen nach der eigentlichen Flucht zu vermeiden, da dies ein sehr sensibles Thema ist. Jedoch hatte Mohammad für sich entschieden, dass er seine ganze Geschichte teilen möchte, ohne die hässlichen Parts auszulassen.
Er erzählte auch von seinem Entsetzen über einige Begegnungen und von der Ablehnung einiger Leute. Über seinen kurzen Aufenthalt in Eisenhüttenstadt sagte er: „[…] some people tried to burn down the building [they lived in].” Im Anschluss hat er uns, zur Veranschaulichung und zum Verständnis, aktuelle Videos von den Ruinen in Syrien gezeigt. Diese Videos zeigten, wie zerstörerisch ein Krieg ist. Besonders schockierte uns aber, dass über diese Situation in deutschen Medien kaum berichtet wird.
Heute lebt Mohammad mit seiner Familie in der Nähe von Berlin. Das Gefühl, wirklich angekommen zu sein, hat er nicht. Seine Einschätzung: Egal, wie sehr er sich integriert, die Menschen in seiner Gegend würden ihn nie so richtig akzeptieren.
Mohammad hat uns zu jeder Frage ausführlich persönliche Geschichten und seine Emotionen geschildert. Er war sehr offen und wollte uns seine Geschichte bis ins Detail erzählen. Darüber hinaus hat er sogar Themen mit einbezogen, die in unseren Fragen gar nicht vorkamen. Beispielsweise teilte er uns mit, dass ihm gesagt wurde, dass er einen „integration course“ machen müsse. An dieser Stelle griff er auch unsere vorherigen Fragen nochmal auf und verstärkte seinen Punkt: „[…] the world has double standards.“ Die Menschen, die aus der Ukraine geflohen sind, würden anders, besser behandelt als die Menschen, die aus Syrien geflohen sind. Und das ohne nennenswerten Grund.
Mohammad zeichnete ein sehr schönes Bild von seinem Blick auf die Welt. Er verglich die Menschheit mit einem Mosaik, das in allen Farben leuchtet und wunderbar vielfältig ist: „When we are all the same, [when] we are only one colour, I think it’s not nice. But we have the opportunity to be different colours and that’s why the mosaic is nice, because everyone has one [own] colour, but together they make a very nice picture.“
Erwähnenswert ist auch, wie er auf die Situation und Diskriminierung seiner Kinder einging und uns von vielen exemplarische Momenten erzählte. Allgemein teilt er uns mit: „[…] the children have a lot of trouble here.” Insbesondere ist das schwierig für die Kinder, da diese sich selbst nicht gut verteidigen könnten. Er habe gelernt, mit der eigenen Diskriminierung umzugehen, aber bei seinen Kindern schmerze es besonders.
Mohammad wirkte enttäuscht, als er über die fehlende Hilfe redete: „It’s unfair.“ Es hat uns überrascht, dass es bei deutschen Behörden und Institutionen an kleinen Dingen scheitert, die man so einfach beheben könnte. Mohammad erzählte uns von einem Besuch im Krankenhaus, bei dem es nicht möglich war, den Anmeldebogen auf Englisch zu bekommen: „The German people, when they came and they had to fill it up, I swear to you, they needed maybe five to ten minutes. I spent three hours filling it up. It was so difficult.” Warum scheitert es bei solchen vermeidbaren Problemen? Es macht wütend zu sehen, wie den Geflüchteten aus Syrien jegliche Chance auf einen einfachen Neuanfang verwehrt wird, während anderen ein direktes Anfangen mit der Arbeit ermöglicht wird.
Durch das Interview mit Mohammad ist uns klar geworden, wie wichtig es ist, ein Thema aus verschiedenen Perspektiven zu betrachten. Es war uns schon vorher klar, dass an den Grenzen ein Unterschied bei den Menschen gemacht wird. Es aber nochmal von jemandem bestätigt zu bekommen, der selbst Fluchterfahrung hat, war bedrückend. Mohammad ist dankbar, in Deutschland zu sein. Allerdings wird es ihm nicht unbedingt leicht gemacht, Anschluss zu finden. Vielleicht wäre es einfacher, wenn er direkt in Berlin und nicht am Rand leben würde. Auf dem Land ist es schwerer, Akzeptanz zu erfahren, als in der großen, bunten Hauptstadt.
Nachdem wir das Interview beendet hatten, blieben wir noch für einige Stunden. Mohammads Frau hat uns Künefe, ein traditionelles arabisches Dessert, und arabischen Kaffee gemacht. Die gesamte Familie ist sehr liebenswert und offen. Mohammad würde gern der Gesellschaft etwas zurückgeben, indem er zum Beispiel als Lehrer arbeitet. Aber die Gesellschaft und die Bürokratie Deutschlands lassen ihn und seine Frau nicht. Wir haben noch weitere Stunden über Gott und die Welt geredet, bevor wir uns auf den Heimweg machen mussten. Unabhängig davon, was bei dem Interview nun herausgekommen ist, dieser Austausch unter eigentlich Fremden und was wir aus diesem mitgenommen haben, war viel wert.
Wir danken Mohammad und seiner Familie für ihre Zeit, Offenheit und Gastfreundlichkeit.