Hochdeutsch war nicht einfach
Irma Sedunow ist in einem kleinen Dorf in der Sowjetunion aufgewachsen und groß geworden. Am 18. April 1995 kam sie mit ihrem Vater, ihrem Mann und ihren Kindern nach Deutschland und seit längerer Zeit wohnt sie jetzt schon in Celle. Sie wirkt wie eine sehr fröhliche, nette Dame, die ihre Familie sehr liebt. Nicht nur die Familie, sondern auch die Musik, was auch der Grund ist, warum sie singt.
Irma eignet sich als Gesprächspartnerin, da sie die Immigration aus der Sowjetunion nach Deutschland selbst erlebt hat und auch viele kennt, die dasselbe erlebt haben.
Für das Gespräch haben wir sie (und viele andere Deutsche aus Russland) besucht, um sie in getrennten Räumen zu interviewen. Es war eine etwas gemischte Stimmung, da man ab und zu von den Gesprächen anderer abgelenkt oder gestört wurde, aber insgesamt war es angenehm und wir konnten in Ruhe sprechen.
Wir haben Irma Sedunow zunächst nach ihrem beruflichen Leben gefragt, also welchen Beruf sie in der Sowjetunion ausübte und wie ihre weitere Berufslaufbahn aussah. Sie hat die Schule nach der achten Klasse beendet und hat daraufhin schon mit 16 angefangen zu arbeiten, aufgrund ihrer großen Familie. Am Anfang arbeitete sie in der Sowjetunion in einem Gewächshaus, nachdem sie aber verheiratet war und eine Wohnung gefunden hatte, begann sie als Melkerin zu arbeiten. Ihre ganze Familie war im Wirtschaftssektor tätig.
Hier in Deutschland wurde ihr Beruf nicht anerkannt und sie arbeitete daraufhin bis zur Rente als Putzfrau. Zwischendurch bekam sie Hartz IV.
Danach sprachen wir Frau Sedunow auf ihre Familie an. Sie hat neun Geschwister, selbst auch Kinder und mittlerweile zehn Enkel und zwei Urenkel. Irma hatte, bevor sie nach Deutschland kam, schon Verwandte hier, da ihr Bruder vor ihr nach Deutschland geflogen ist und schon einige Jahre dort war. Er half ihr auch, sich zurecht zu finden und die ganzen Papiere zu beantragen und auszufüllen. Ihre Kinder sind in Deutschland zur Schule gegangen und hatten keine großen Schwierigkeiten, sich an das Leben zu gewöhnen, da sie noch relativ jung waren und es ihnen somit einfacher fiel.
Im Gegensatz dazu dauerte es für sie viele Jahre, in Deutschland Anschluss zu finden und sie selbst erlebte auch öfter Diskriminierungen und Vorurteile gegen Deutsche aus Russland. Außerdem fiel es ihr schwer Hochdeutsch zu lernen, obwohl sie schon seit Jahren einen deutschen Dialekt in ihrer Familie spricht und pflegt, da ihre Vorfahren aus Deutschland ausgewandert waren.
Eine Erinnerung von ihr ist das erste Weihnachtsfest in Deutschland. Sie war überrascht, dass man hier alles kaufen und bekommen kann, während man in der Sowjetunion stundenlang für Lebensmittel anstehen musste. Dazu der Frühling, wie bunt es ist und die ganzen verschiedenen Blumenarten und Bäume.
Ein wichtiges Thema für uns war auch die Religion. „Sind Sie überhaupt gläubig und gibt es hier Unterschiede zwischen der Sowjetunion und Deutschland?“, fragten wir sie. Irma ist gläubig und besucht auch ab und zu die Kirche. In der Sowjetunion gab es in ihrem Dorf nur eine „Kirche“, also ein Haus, das dafür genutzt wurde. Dieses Haus wurde zwischenzeitig als Bibliothek genutzt, wodurch sich ihr Dorf und ein Nachbarsdorf zusammenschlossen, um ein neues Haus zu kaufen, um dieses als Kirche nutzen zu können. Außerdem gab es keinen richtigen Pastor, sondern eine Person aus dem Dorf übernahm die Rolle.
Das Interview mit Irma hat gezeigt, dass es ihr in Deutschland im Allgemeinen sehr gut gefällt und es ihrer Meinung nach die richtige Entscheidung war, hierher zu kommen.
Ein herzliches Dankeschön geht an unsere Interviewpartnerin Irma, dafür, dass sie bereit war, ihre Lebensgeschichte mit uns zu teilen.