Ein kleines Bushaltestellenhäuschen an einer Landstraße. Rechts und links von der Haltestelle sind Bäume und Büsche. Im Hintergrund ist ein braunes Einfamilienhaus.
© Christian Alexander Otto/Wikimedia Commons CC 4.0

Zum Einkaufen mit dem Schulbus

Wir wollten uns zum Thema Deutsche aus Russland mehr informieren und so kamen wir zu einem Interview mit Viktor Schmidt, welcher selbst Deutschrusse ist. Er ist 73 Jahre alt und kam im September 1994 mit seiner Familie nach Deutschland. Wir trafen uns bei einem kleinen Spätaussiedler-Treff, wo er häufig mit anderen Spätaussiedlern zusammenkommt. Dort setzten wir uns an einen Tisch und fingen an Fragen zu stellen. Das Interview haben wir auf Russisch geführt.

Als erstes haben wir Viktor nach seinem Schulleben und seiner beruflichen Karriere in Deutschland und in der Sowjetunion gefragt. Er führte in der Sowjetunion ein recht normales Schulleben und absolvierte zehn Klassen. Danach erlernte er den Beruf des Drehers und war im Abendschulsystem an der Uni. An der Uni hat er den Beruf des technischen Ingenieurs erlernt. Nach der Ankunft in Deutschland gab es allerdings Schwierigkeiten mit der Anerkennung seiner Abschlüsse. Er wurde nicht als technischer Ingenieur anerkannt, jedoch als Dreher. Beworben hat er sich in Deutschland auch als Dreher und seine Arbeitszeit in diesem Beruf in der Sowjetunion wurde auch anerkannt. Die Arbeit seiner Ehefrau, die mit ihm nach Deutschland gekommen ist, wurde allerdings nicht anerkannt, da sie nicht russlanddeutsch ist. Da die Rente nicht für beide reicht, haben sie eine Grundsicherung. 

Als nächstes haben wir Viktor familiäre Fragen gestellt. Sein Vater ist bereits 1990 nach Deutschland gekommen und er, seine Ehefrau und seine Tochter folgten dann 1994. Seine Geschwister sind auch nach Deutschland übergesiedelt. Viktors Bruder arbeitet aktuell beim Bestatter, bei welchem er Grabsteine säubert und seine Schwester arbeitet in Müden (Aller), wo sie Kartoffeln schält. Seine Tochter hat in der Sowjetunion zehn Klassen absolviert und in Deutschland dann ihr Abitur gemacht. Danach ist sie auf eine Universität in Braunschweig gegangen. Als nächstes erzählte er uns etwas über seine Wohnsituation in der Sowjetunion und in Deutschland. Seines Erachtens nach hat sich seine Wohnsituation im Laufe der Zeit gebessert und er ist zufrieden mit dem Leben in Deutschland. In der Sowjetunion lebte er im jetzigen Staat Kasachstan in der Stadt Almaty und nach dem Entschluss nach Deutschland auszuwandern, verkaufte er seine Wohnung und nahm das Geld mit, jedoch nicht seine damaligen Besitztümer, denn diese hat er hauptsächlich seinem Sohn gegeben, welcher in der jetzigen Ukraine lebte. Seine anfängliche Wohnsituation war recht schwierig und unkomfortabel. Er lebte für einige Monate in einer Notwohnung in Dannenberg. Seine darauffolgende Wohnsituation war recht zufriedenstellend, weil er unter anderem eine gute Nachbarschaft erlebte und die Wohnungssuche sich wegen seiner helfenden Verwandtschaft als relativ leicht darstellte. 

Weitere Themenfelder unseres Interviews waren Freizeit und Religion. Viktors Freizeit in der Sowjetunion war nichts Besonderes. Einen Anschluss konnte Viktor schnell in Deutschland erlangen, da eine russischsprachige Familie nach seiner Ankunft in seiner Nähe gewohnt hat. Ansonsten hat er wie bereits gesagt eine große in Deutschland lebende Verwandtschaft. Aktuell spaziert Viktor gerne in seiner Freizeit. Er ist nicht religiös, hat aber ein recht religiöses Leben in der Sowjetunion gelebt, welches durch seinen sehr religiösen Vater geprägt war. 

Außerdem haben wir ihn nach seinen Erwartungen, Eindrücken und Erinnerungen an die Ankunft in Deutschland befragt. Er hat keine großen Erwartungen gehabt, jedoch seine Ehefrau und Viktors erster Eindruck von Deutschland war, dass alles neu und anders ist. Seine erste Erinnerung, welche er uns offenbarte, war, dass Dannenberg keine Läden hatte und es an öffentlichen Verkehrsmitteln mangelte. Damit er einkaufen gehen konnte, musste er einen Schulbus nehmen. Da der Bus hauptsächlich für Schüler fuhr, war die Wartezeit auch dementsprechend lang. Dieses Problem hat sich dann geändert als er und seine Tochter Fahrräder von ihren Verwandten bekamen. 

Deutsche Bürokratie empfindet er als schwierig. Er hat sich relativ schnell in Deutschland eingefunden und würde nicht wieder zurückwollen. Er lebt hauptsächlich nach deutschen Traditionen seitdem er in Deutschland ist, jedoch schaut er noch russisches Fernsehen. Er geht jeden Freitag mit einer Spätaussiedlergruppe zusammen spazieren. In dieser Gruppe fühlt er sich in der Regel wohler, da diese Personen auch Russisch sprechen. Kontakte hat er noch nach Russland, Kasachstan usw., denn seine Ehefrau hat dort noch Verwandte. 

Durch Viktor haben wir gute Einblicke zur Thematik der Russlanddeutschen bekommen. Die Ankunft hat vielen Menschen, unter anderem wegen der Nicht-Anerkennung der Berufe, die man in der Sowjetunion ausgeführt hat, Probleme bereitet. Außerdem wurde uns gezeigt, dass es doch viele Spätaussiedler gibt, die eine gespaltene Meinung zu Deutschland haben. Manche sind zufrieden mit ihrem Leben in Deutschland und manche nicht.
Wir bedanken uns bei Viktor Schmidt für die Bereitschaft, uns für ein Interview zur Verfügung zu stehen sowie seine Erinnerungen und Erfahrungen mit uns zu teilen.

Autoren: Niklas & Denis

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