Hellblauer Trabant vor Wohnhaus
© Marcus Lenk/Unsplash

Früher gab es Zusammenhalt

Günther* ist Anfang sechzig und aufgewachsen in Friedrichshain. 1998 zog er dann nach Mittenwalde und danach nach Königs Wusterhausen. Dort arbeitete Günther bis zu seiner Rente auf dem Bau.

Günther eignete sich sehr gut als Gesprächspartner für das Interview zum Thema DDR, weil er nah an der Berliner Mauer gelebt hat und deshalb viele der damaligen Geschehnisse mitgekriegt hat. Außerdem konnte er aus Sicht der Arbeiter sprechen, weil er auf dem Bau arbeitete. Da immer behauptet wurde, dass im Kommunismus die Arbeiterschaft und die Bürger ausgebeutet wurden, haben wir Günther intensiv zu diesem Thema befragt und sind zu verschiedenen Erkenntnissen gekommen.

Wir konnten Günther ruhig in einem Café direkt neben dem Bahnhof Königs Wusterhausen treffen. Die Atmosphäre war angenehm und Günther war sehr offen und zeigte uns auch Münzen und andere wichtige Dokumente wie den Reisepass der DDR oder Urkunden, die er bei Sportlichen Events gewonnen hat (z. B.: beim Marathon). 

Als wir Günther fragten, wie es war, in der DDR zu wohnen, sagte er, dass man sich zu dieser Zeit relativ wenig beklagt hat, weil man es einfach nicht anders kannte und man diese Situation als „normal“ ansah. Er erzählte uns außerdem, dass er eine recht „behütete“ Kindheit hatte und sich über nichts beklagen konnte. Ein weiterer Punkt, den er uns nannte, war, dass die Preise deutlich günstiger waren als zu heutigen Zeiten. Ein Brot hat damals um die 80 Pfennig gekostet. Dazu muss man sagen, dass die Preise proportional zum Einkommen waren. Das bedeutet, dass das Einkommen der Menschen damals deutlich geringer ausgefallen ist als z. B. heutzutage, ebenso wie die Lebenshaltungskosten. Um den Wert des Geldes nochmal zu verdeutlichen, erzählte Günther uns, dass er für seine erste Wohnung, die er übrigens schon mit 17 Jahren bezog, 35 Mark pro Monat Miete zahlte und auf dem Bau 450 DM verdiente.

Auf die Behauptung, dass man in einer Diktatur gelebt hätte und nicht reisen dürfe, entgegnete Günther, dass man sehr wohl reisen konnte. Die meisten Leute hatten nur einfach nicht das Geld. „Es ist genauso wie heute, wer Geld hat, kann reisen, wer nicht, der nicht“, so Günther. 

Wir wollten auch noch wissen, ob sich die politische Lage von damals zu heute eher verbessert oder verschlechtert hat. Günther erzählte uns, dass sie sich in seinen Augen eher ins Negative verändert hat, weil man sich sozial viel sicherer gefühlt hat und es auch gerechter zuging. Außerdem war der Zusammenhalt zwischen den Bürgern weitaus stärker als heute, wo jeder nur an sich denkt. Daher mochte Günther die damalige Gesellschaft mehr, weil seinen Aussagen nach heute das Soziale auf der Strecke bleibt und der Kapitalismus über den Sozialismus siegt. Er berichtete, dass er damals schon gesagt hat, dass eine Mischung aus beiden Dingen das Beste für die Gesellschafft wäre.

Als wir uns darüber unterhielten, was denn Günthers Erwartungen nach dem Mauerfall waren, sagte er, dass er hoffte, dass Ost und West so schnell wie möglich gut zueinander finden. Diese Erwartungen wurden aber getrübt, weil er dachte, dass dieses „Zusammenfinden“ um die 10 Jahre dauern würde, aber nun mittlerweile 30 Jahre später immer noch unter den Menschen zwischen Ost und West unterschieden wird. 

Eine weitere Sache, worauf er hoffte, war, dass es einem finanziell besser gehen würde als vorher. Auch diese Hoffnung wurde in der ersten Zeit erfüllt, aber die Freude verwandelte sich dann langsam, aber sicher in eine Existenzangst. Günther warf die Frage auf, warum die Politik aus diesen Zeiten so wenig gelernt hat und man nun Angst vor einem Krieg haben müsse.

Als wir mit Günther über den Mauerfall redeten, erzählte er uns, dass er und seine Mitbürger es gar nicht fassen konnten, dass es nun keine Mauer mehr gab und alle geltenden Beschränkungen umgehend aufgehoben wurden. Er redete darüber, wie er in der Nacht vom 9. auf den 10. November selbst vor Ort war und die Freude sowie die Euphorie in den Augen der Menschen sah. Er meinte: „Was in dieser Nacht geschah, wird man sein Leben lang nicht vergessen.“

Das Interview mit Günther hat gezeigt, dass es in der DDR viele Vorteile gab, beispielsweise die Kaufkraft und Stärke der Währung. Zwar war das Reisen nur innerhalb des Ostblocks möglich, aber das gehörte nicht zu den wichtigen Dingen. Laut Günther war im Kommunismus Zusammenhalt wichtig. Außerdem war die Ausbeutung der Arbeiter nicht so groß wie heute im Kapitalismus, z. B.: waren die Renten höher und die Wohnungen viel billiger. 

Wir danken Günther für seine Zeit und seine Bereitschaft, seine Erfahrung mit uns zu teilen.

*Zum Schutz der Privatsphäre wurde ein Pseudonym verwendet.

Autoren: Paul, Nick & Paul

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