Wir wollten alle weg
Unser Interviewpartner Alexander Meng ist heute 84 Jahre alt. Geboren und aufgewachsen ist er in einem kasachischen Dorf. Während des Zerfalls der Sowjetunion ist er dann, mit seiner Familie, nach Hannover gekommen. Heute lebt er als Rentner in Celle.
Alexander Meng eignete sich als Gesprächspartner, da er selbst 1991 als Spätaussiedler mit deutschen Wurzeln von Kasachstan nach Deutschland gekommen ist. Er kennt also die Situation des Ankommens in Deutschland von sogenannten russlanddeutschen Auswanderern.
Wir haben Herrn Meng für das Interview in einem Gemeindehaus in Vorwerk getroffen. Da dort mehrere Interviews mit russisch-deutschen Gesprächspartnern im gleichen Raum gleichzeitig geführt werden mussten, wurde es teilweise recht unruhig.
Zunächst haben wir ihn gefragt, inwieweit man ihn selbst als Russlanddeutschen bezeichnen dürfe. Ihn störe das nicht, sagte er, er fühle sich als Deutscher. Und das sei auch der Grund, warum er nach Deutschland gekommen ist: Seine Kinder und Enkelkinder sollten Deutsch lernen und sprechen. Ihm war es gleich, dass er in Kasachstan verhungern hätte können und dass er dort nur schlecht gearbeitet und verdient hat: „Ich wollte, dass meine Nachfahren deutsch bleiben. Das war mein Ziel“. Deshalb ist er dann 1991 von Kasachstan nach Hannover gekommen. Nach seinem ersten Eindruck gefragt, antwortete er, natürlich sei es ein großer Unterschied. Es gebe einen Unterschied im Klima, der Landsleute, dem Land allgemein. Dennoch habe sich seine Situation in Deutschland merklich verbessert: „Gar keine Frage.“
Jedoch hatte er auch Schwierigkeiten in Deutschland. So konnte er nicht mehr als Automechaniker arbeiten, weil ihm überall abgesagt wurde. „Ich habe nachher in Deutschland bei Hostmann-Steinberg gearbeitet.“ Dieser Platz sei ihm vom Arbeitsamt angeboten worden. Auch für die Wohnungssuche benötigte er zehn Monate, bis ihm eine Wohnung angeboten wurde. Bis dahin wohnte er in Notwohnungen.
Unsere abschließende Frage, ob er noch einmal von Kasachstan nach Deutschland übersiedeln würde, wenn er die Wahl hätte, konnte er recht eindeutig beantworten: „Nein. Ich wünsche es keinem.“ Allerdings habe er es auch nie bereut, da die Sowjetunion alles kaputt gemacht habe, was die Deutschen sich in Russland aufgebaut hatten. „Leid hat mir das keinen Tag getan“. Er sei nur einmal zurückgekommen, zu den Gräbern seiner Eltern und Großeltern. Außer den Verstorbenen hat er auch keine Verwandten mehr in Kasachstan, alle seien nach Deutschland ausgewandert. Diese Situation verglich er mit dem Abbrennen eines Strohfeldes: „Wenn man auf einem Strohfeld ist und von einem Ende zündest du es an, und wenn der Wind noch ein bisschen hilft, das brennt. Die ersten sind nach Deutschland gefahren, die zweiten, die dritten. Niemand wollte allein dableiben.“ Nur der Anfang sei gemacht worden: „Das ist wie das Feuer, wir wollten alle weg.“ Zumal die Ausreise aus der Sowjetunion unter Gorbatschow auch erleichtert worden sei, wie Herr Meng sagte. Etwas, was uns etwas überrascht hatte.
Noch ein Punkt, der uns überrascht hatte, war, dass es hier keine Vorurteile ihm gegenüber gab. „Es gab überall Unterstützung.“ Er habe auch keine Ablehnung in Deutschland gespürt.
Wie das Interview gezeigt hat, ist Herr Meng gut in Deutschland angekommen. Allerdings gab es auch Schwierigkeiten, wie die Wohnungssuche. Das soziale Ankommen verlief, wie er uns mitteilte, auch aufgrund des Zusammenhalts in der Familie dennoch gut. Es lässt sich also vermuten, dass sich die Russlanddeutschen trotz der Schwierigkeiten mittlerweile gut in Deutschland eingelebt haben. Dennoch konnte man eine Botschaft von Herrn Meng klar erkennen: „Bleib da, wo du geboren bist.“
Wir danken Herrn Meng für seine Bereitschaft und die Zeit, die er uns zur Verfügung gestellt hat, um uns seine Erfahrungen mitzuteilen.