„Es ist krass, ich bin ja direkt mit Blick auf die Mauer großgeworden!“

Lena, 48 Jahre

Fotografie von einer Fotografie eines Pferdes
© Aller Anfang ist...?

Wünsche erfüllten sich – Jugendliche zur Zeit des Mauerfalls

Lena* war beim Mauerfall 1989 15 Jahre alt und ist in West-Berlin aufgewachsen, wo sie auch heute noch lebt. Sie hat an der Freien Universität in West-Berlin studiert. Als Jugendliche hat sie sich sehr für die Berliner Musikszene interessiert und nach dem Mauerfall ging ihr Wunsch von einem eigenen Pferd in Erfüllung.

Lena ist sehr gut für ein Zeitzeugeninterview zum Thema „Jugendliche beim Mauerfall“ geeignet, weil sie während ihrer ganzen Kindheit in West-Berlin gelebt hat. Außerdem ist sie mit Blick auf die Mauer großgeworden, da ihr Haus, wie auch viele andere, nah an der Grenze stand. Deshalb war es so besonders für sie und auch andere in ihrer Nachbarschaft, dass die Mauer nach 30 Jahren fiel. Lena hat durch ihren Wohnort ein noch sehr genaues Bild vom geteilten Berlin und gute Erinnerungen an den Mauerfall.

Für das Interview haben wir Lena in ihrem Haus in Rudow besucht. Die Atmosphäre war sehr entspannt und wir haben uns gut mit ihr verstanden. Lena hat unsere Fragen sehr ungezwungen beantwortet und uns damit sehr geholfen.

Lena hat uns ihre vielfältigen Erfahrungen geschildert. Sie lebte in einem Haus, quasi neben der Mauer und ihr Schulweg führte direkt an der Mauer vorbei. Deswegen war die Mauer bei ihr „total präsent”, aber sie hatte nicht das Gefühl, dass sie eingesperrt gewesen sei. Da sie in West-Berlin aufgewachsen ist, konnte sie auch schon vor dem Mauerfall die andere Seite (Ost-Berlin) besuchen, das war aber mit sehr viel Aufwand verbunden. Das hat uns sehr überrascht, weil wir annahmen, dass auch die West-Berliner die Grenze nicht überqueren durften. Das stellte sich somit als falsch heraus. Wenn Lena mit ihrer Familie in den Urlaub gefahren ist, mussten sie erstmal ein langes Stück durch den Osten fahren und sie durfte nur an einigen Parkplätzen anhalten. Regelmäßige Kontrollen waren normal und man durfte mit keinem Ost-Berliner reden. Für sie hat sich ein Aufenthalt im Osten wie Urlaub angefühlt. 

Trotzdem fand Lena den Fall der Mauer nach eigener Aussage „spannend“ und sie war „auch ganz froh“. Sie hatte nämlich eine Klassenkameradin, die aus dem Osten geflüchtet war. Deshalb freute sie sich, dass „jetzt plötzlich solche komplizierten Fluchtgeschichten nicht mehr notwendig waren“. Das habe sie richtig gefeiert, sagte sie. 

Nach dem Fall der Mauer ist sie nicht gleich in den Osten gegangen, sondern erst „zweieinhalb Wochen später Mitte/Ende November“. Außerdem gab sie an, dass sie nach dem Mauerfall viele Radtouren in den Osten gemacht hatte, dort aber vieles heruntergekommen gewirkt habe. Überrascht hat Lena, dass man anfangs anhand der Kleidung erkennen konnte, wer aus dem Osten und wer aus dem Westen kam.

In ihrem Alltag hat sich nach dem Mauerfall viel verändert. Ihr größter Wunsch von einem eigenen Pferd hat sich durch den Mauerfall erfüllt. Denn durch den Mauerfall konnte sie in Brandenburg problemlos das Pferd unterbringen. Außerdem war „die Freiheit, also dass ich einfach aufs Land fahren konnte“, neu für sie. Von anderen hatte sie immer gehört, dass sehr unterschieden wurde, ob man aus dem Osten oder aus dem Westen kam. Aber in ihrem eigenen Umfeld sei das nicht so gewesen, sagte sie. Als größtes Problem sieht Lena die Proteste gegen Asylbewerber, die für sie „so eine typisch ostdeutsche Geschichte“ waren. Auf persönlicher Ebene hatte sie aber keine Probleme mit Menschen aus dem Osten. Allerdings findet sie es sehr problematisch, dass die Löhne im Osten und im Westen immer noch nicht gleich sind. Ihr größter in Erfüllung gegangener Wunsch war eben das Pferd, dass sie durch den Mauerfall bekommen hat. Ansonsten hatte Lena keine wirklichen Wünsche, Hoffnungen oder Erwartungen an den Mauerfall. 

Lenas Erfahrung lässt darauf schließen, dass Jugendliche in West-Berlin beim Mauerfall keine großen Hoffnungen und Wünsche hatten, sie sich aber trotzdem sehr über den Mauerfall gefreut haben. Allerdings kann es natürlich sein, dass Lena ein Einzelfall ist und die anderen West-Berliner viele Wünsche und Hoffnungen hatten. Aber wir denken, dass Lena damit nicht allein war und die meisten West-Berliner sich einfach nur über die Wiedervereinigung gefreut haben. Sie hatten vielleicht weniger Wünsche, da die Lebensqualität im Westen höher war.

Wir bedanken uns sehr bei Lena für das Interview und beim Projektteam, das uns sehr unterstützt hat.

*Zum Schutz der Privatsphäre wird ein Pseudonym verwendet.

Autoren: Friedrich & Samuel

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